Wiederaufnahme

Die strafrechtliche Wiederaufnahme ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, um wieder in ein eigentlich bereits abgeschlossenen Verfahren einzusteigen.

Dieser „Neustart“ ist aber an besonders hohe Voraussetzungen gebunden, die eine tiefgehende und überzeugende Begründung des Antrags erforderlich machen. Hieran scheitern leider die allermeisten Wiederaufnahmeanträge.

Das Wesen der Wiederaufnahme ist es, das Verfahren von Neuem zu beginnen und zu einem neuen, idealerweise anderen Urteil zu führen. Hieraus sieht man schon den Ausnahmecharakter der Wiederaufnahme: Das rechtskräftige Urteil soll eigentlich den endgültigen Abschluss des Verfahrens darstellen. Es steht weder dem Gericht noch den Beteiligten frei, leichtfertig eine neue Entscheidung herbeiführen zu können.

Eine Wiederaufnahme hat daher nur dort ihre Berechtigung, wo sich die Sachlage so geändert hat, dass das ursprüngliche Urteil aus rechtsstaatlichen Gründen nicht mehr zu halten, sondern geradezu unerträglich ist.

Häufige Fragen zu Wiederaufnahmeverfahren beantworten wir zudem in unseren (langsam entstehenden) FAQ-Sektion.

Gerechtigkeit gegen Rechtskraft

Die Wiederaufnahme eines schon rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist die Ausnahme.
Die Wiederaufnahme eines schon rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist die Ausnahme.
Die Rechtskraft soll zwar, wie eben erwähnt, das Verfahren grundsätzlich abschließen, sie ist aber auch kein Selbstzweck: Wurde, grob gesagt, ein Unschuldiger eingesperrt, kann die Justiz das nicht schulterzuckend hinnehmen.

Das Gesetz (§ 359 StPO) sieht daher eine Wiederaufnahme in einem der folgenden Fälle vor:

  • gefälschte Urkunde als Beweismittel verwendet
  • strafbare Falschaussage durch Zeugen oder Sachverständigen
  • strafbare Amtspflichtverletzung durch Richter oder Schöffen
  • Aufhebung eines anderen Urteils, auf das sich das Gericht gestützt hat
  • neue Tatsachen oder Beweismittel
  • Urteil des EGMR

Das klingt eigentlich relativ weitgehend, irgendeiner dieser Gründe wird sich doch bei einem Fehlurteil finden lassen. Tatsächlich ist es aber sehr schwer, einen Wiederaufnahmegrund nachzuweisen.

Dass ein Richter Rechtsbeugung begangen hat, wird immer sehr schnell behauptet, nachzuweisen ist es in aller Regel aber nicht. Das liegt schon daran, dass das Delikt der Rechtsbeugung nur dann angenommen wird, wenn das Urteil unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, auch nicht unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit, vertretbar ist. Ein einfach nur sachlich oder rechtlich falsches Urteil reicht hier bei Weitem nicht.

Falsche Zeugenaussage hilft nur selten

Ebenso gehört es zu den Standardbeschwerden von Bürgern, die mit einem Urteil unzufrieden sind, dass Zeugen gelogen hätten. Diese Behauptung alleine ist aber nicht ausreichend, vielmehr muss der Zeuge wegen der Falschaussage auch strafrechtlich verurteilt worden sein (§ 364 StPO). Das setzt schon voraus, dass er entweder unter Eid fahrlässig falsch ausgesagt hat oder ohne Vereidigung absichtlich gelogen hat. Vereidigt wird in deutschen Gerichtssälen kaum und Vorsatz lässt sich oft nicht nachweisen.

Die fahrlässige uneidliche Falschaussage ist dagegen nicht strafbar und somit kein Wiederaufnahmegrund. Wenn sich ein Zeuge also einfach getäuscht hat, ihn seine Erinnerung im Stich gelassen hat oder er vorschnell etwas Unrichtiges gesagt hat, dann ist das irrelevant und ein darauf aufbauendes Fehlurteil bleibt bestehen. Das gleiche gilt, wenn Restzweifel daran bleiben, dass eine strafbare Falschaussage erfolgt ist, und der angeklagte Zeuge dann „in dubio pro reo“ freigesprochen wird. Eine natürlich sehr harte Regelung des Gesetzgebers, aber so steht es eben schwarz auf weiß in der StPO.

Insoweit ist man zudem weitestgehend von der Staatsanwaltschaft abhängig, die ein Strafverfahren wegen Falschaussage erst einmal einleiten und dann auch anklagen muss. Also die Behörde, die für die eigene Verurteilung gesorgt hat, soll nun dabei helfen, diese Verurteilung wieder aufzuheben. In der Praxis passiert das relativ selten.

Falsche Urkunden

Der Wiederaufnahmegrund einer falschen Urkunde hört sich zunächst vielversprechend an. Es ist hier auch so, dass keine strafbare Urkundenfälschung vorliegen muss. Es reicht vielmehr, wenn ein als Beweis dienendes Schriftstück inhaltlich unrichtig war. Hier ist die Problematik aber, dass sich die meisten Strafurteile kaum auf Urkunden stützen.

Praxisrelevant: neue Tatsachen

Entscheidend ist, ob die neuen Beweise eine andere rechtliche Bewertung des Verfahrens bedeuten.
Entscheidend ist, ob die neuen Beweise eine andere rechtliche Bewertung des Verfahrens bedeuten.
Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit, neue Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen, die einen Freispruch oder eine geringere Strafe aufgrund eines milderen Gesetzes erlauben. Wichtig ist, dass es sich um neue Tatsachen handeln muss, also um solche, die das Gericht beim ursprünglichen Urteil nicht kannte und nicht berücksichtigen konnte.

Zentrale Kriterium ist die Neuheit der Tatsache. Das darf man also nicht damit verwechseln, dass das Gericht einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung gemacht hat. Hat das Gericht also dem Zeugen A geglaubt und dem Zeugen B nicht, ist es kein Wiederaufnahmegrund, dass man behauptet, in Wirklichkeit habe B die Wahrheit gesagt.

Es bringt also nichts, zu argumentieren, warum man das Urteil für falsch hält. Die Argumentation darüber ist Sache des Strafverfahrens und kann nach der Rechtskraft nicht einfach fortgesetzt werden. Denn wie gesagt: Die Wiederaufnahme ist eine absolute Ausnahme.

Von Bedeutung kann es aber sein, wenn es wirklich neue Beweise gibt, die dann zusammen mit der (nicht neuen) Aussage des B das Urteil in Frage stellen können.

Ablauf des Verfahrens

Im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens muss man drei verschiedene Verfahrensabschnitte unterscheiden:

  • Additionsverfahren: Hier wird die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags geprüft, ob also die vorgebrachten Beweise, ihre Richtigkeit unterstellt, überhaupt geeignet wären, einen Freispruch oder eine wesentlich geringere Strafe zu bewirken.
  • Probationsverfahren: Wenn der Wiederaufnahmeantrag zulässig, werden die Beweise anschließend geprüft. Das Gericht sieht sich also Beweismittel an oder vernimmt Zeugen, um festzustellen, ob diese auch tatsächlich das aussagen, was im Wiederaufnahmeantrag behauptet wurde.
  • Novationsverfahren: Die Neudurchführung der Hauptverhandlung, sofern sich der Wiederaufnahmeantrag als begründet herausgestellt hat.

Jeder Verfahrensschritt setzt voraus, dass der vorherige Verfahrensschritt positiv ausgegangen ist. Kommt das Wiederaufnahmegericht im Additionsverfahren nicht zu dem Ergebnis, dass die neue Beweismittel vorliegen oder misst es diesen keine ausreichende Bedeutung bei, erreicht man das Probationsverfahren gar nicht erst.

Kompetente Vertretung notwendig

Wichtig ist es daher, einen Wiederaufnahmeantrag mit erfahrenen Anwälten zu stellen, die die Anforderungen kennen und mit entsprechender juristischer Argumentation auch bestmöglich erfüllen können. Zugleich ist es aber notwendig, dass Sie als Betroffener eines Fehlurteils alle Indizien mitteilen, die möglicherweise bei der Begründung eines Wiederaufnahmeantrags helfen könnten.

Die meisten Rechtsanwälte, auch kompetente Strafverteidiger und sogar Fachanwälte für Strafrecht, haben mit Wiederaufnahmeanträgen so gut wie nie etwas zu tun. In ihrer normalen Tätigkeit kommen diese speziellen Verfahren extrem selten vor.

Rechtsanwalt Thomas Hummel hat als verfassungsrechtlich versierter Anwalt eingehende Erfahrung mit der Sichtung und Prüfung von Verfahrensakten, auch aus dem strafrechtlichen Bereich. Demgegenüber ist Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa spezialisiert auf Strafverteidigung und übernimmt die Überprüfung der Beweiswürdigung.

Ablauf des Wiederaufnahmemandats

Wenn Sie der Meinung sind, dass eine Wiederaufnahme in Ihrem Fall in Frage kommen könnte, teilen Sie uns bitte alle benötigten Informationen mit. Das sind insbesondere:

  • das Urteil des Landgerichts und ggf. des Amtsgerichts
  • die Revisionsentscheidung (Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof)
  • die Indizien, Tatsachen, Beweismittel oder anderen Gründe, warum das Urteil falsch sein soll

Dies schicken Sie am besten per E-Mail an post@abamatus.de.

Wenn eine Wiederaufnahme zumindest prinzipiell in Betracht kommt, teilen wir Ihnen die Kosten der Vorprüfung mit und schicken Ihnen, wenn Sie zusagen, die Mandatsunterlagen dafür zu. Nach Erhalt der Mandatsunterlagen und der Vergütung der Vorprüfung beginnen wir sofort mit der Detailarbeit.

Neben der Wiederaufnahme werden auch noch ähnliche Rechtsmittel wie bspw. ein Gnadengesuch geprüft, soweit diese nicht völlig offensichtlich ausscheiden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass keine Chance ungenutzt bliebt.

Sie erhalten dann innerhalb einiger Tage – soweit kritische Fristen zu beachten sind, auch schon früher – eine ca. zwölfseitige schriftliche Einschätzung der Aussichten und eine Empfehlung hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise einschließlich einer Angabe der Kosten hierfür.

Kosten

Aufgrund der hohen Spezialisierung und der aufwendigen Bearbeitung fallen erhebliche Kosten für die Wiederaufnahme an.

Für die Prüfung der Aussichten einer Wiederaufnahme müssen Sie mit 2.000 bis 4.000 Euro rechnen. Dabei wird außerdem auch eruiert, ob alternative Möglichkeiten wie ein Gnadengesuch oder ein Antrag auf Reststrafenaussetzung erfolgversprechend sein könnten. Zudem wird Ihnen mitgeteilt, welchen konkreten Preis wir für das gesamte Wiederaufnahmeverfahren ansetzen würden. Anschließend können Sie sich entscheiden, welchen Weg Sie gehen wollen und ob Sie weitere Kosten in Kauf nehmen wollen.

Der Wiederaufnahmeantrag liegt je nach Aufwand in einer Gegend von 5.000 bis 20.000 Euro. Die Kosten der Prüfung werden hierauf natürlich angerechnet. Zu beachten ist auch, dass diese Kosten selbst bei einem erfolgreichen Antrag nicht (oder nur zu einem geringen Teil) vom Staat ersetzt werden.

Mehr Informationen:

(Letzte Aktualisierung: 24.08.2023)

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